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Werner Schmidt

Werner

"Das Leben bietet einem so viele Möglichkeiten, wenn man sich darauf versteht, sie zu nutzen. Mein Vater sagte immer, dass es zwei Arten von Menschen gibt: Wenn man ein Flugzeug besteigt, dass in die Karibik fliegen soll und stattdessen in Grönland landet, kann man entweder lernen, Grönland zu mögen oder für immer Bitterkeit darüber verspüren, dass man nicht in der Karibik ist. Ich schaue immer nach vorne. Leute, die nur zurückschauen, können nichts erreichen. Wie sagte mein Vater immer so schön? 'Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist.' Eigentlich sind wir ja alle nur Pilger auf dem Weg zum Friedhof.

Bronek und Theo sind nett, die akzeptieren mich so, wie ich bin. Aber sie übertreiben oft mit dem Alkohol und sie haben keine Ziele mehr. Ich glaube nicht, dass sie es noch einmal schaffen. Die werden hier von der Brücke nicht mehr wegkommen. Und ich glaube auch gar nicht, dass sie das wollen. Ich halte mich lieber an Uwe, der ist drei Jahre jünger als ich und er ist mein Kumpel, mein Freund, mein großer Bruder, den ich nie hatte. Als Kind war ich immer allein, die Gleichaltrigen haben mich ja abgelehnt und nicht als einen der ihren angesehen. Hier sind alle nett zu mir, wir halten zusammen und helfen uns gegenseitig. Schade, dass wir Bronek und Theo nicht mitnehmen können, aber die Wohnung ist zu klein für vier Leute. Das hier, unter der Brücke, ist nur vorübergehend. Wir waren beim Wohnungsamt und im Herbst können wir schon einziehen. Uwe kann gut mit diesen Leuten umgehen, er spricht mit denen wie ein Professor. Es macht Spaß ihm dabei zuzuschauen, wie er über bürokratische Hürden springt. Im letzten Winter hat es mir hier nicht gefallen. Ich konnte nicht regelmäßig trainieren. Es war zu kalt, das ist schlecht für die Muskeln, da kann man sich leicht eine Verletzung holen. Aber ohne an meinem Körper zu arbeiten, werde ich nie eine nette Frau finden. Die stehen nicht auf Typen mit Bauch.

Bei uns in der Wohnung wird Uwe nur in der Küche rauchen, das hat er mir versprochen. Klar, wenn wir mal weiblichen Besuch haben, kann ich Rauchen und Trinken nicht verbieten. Sonst würden sich die Frauen noch erschrecken, dass ich so streng bin und mich in die individuellen Suchtbereiche einmische. Ich selber mag es auch nicht, wenn jemand zu intime Fragen stellt. Zum Beispiel, warum gibt es keine Frau an meiner Seite? Da kann ich antworten: Ich habe in den letzten Jahren eine schwere Zeit durchgemacht, gesundheitlich ging es mir nicht gut. Aber das wird sich bald ändern. In der neuen Wohnung brauche ich nur ein paar Monate geistiges und körperliches Training, dann kann ich für meine Freundin so sein, wie der Uwe jetzt für mich ist. Der Mensch braucht für die geistige Harmonie jemanden an seiner Seite. Das Leben ist kostbar und es zeigt uns seine verschiedenen Seiten, damit man besser sehen kann, was man verliert, wenn man auf das Glück nicht aufpasst."