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Jens-Uwe Daser

Uwe "Ganz hier in der Nähe bin ich geboren worden. Ich bin über vierzig und mein jetziger Zustand steht mit meiner Kindheit in überhaupt keinem Zusammenhang. An diesen ganzen Am-Anfang-war-Erziehung-Scheiß habe ich nie geglaubt. Das beste Beispiel dafür bin ich selber. Geht es mir gut? Nein, scheiße geht's mir jetzt. Und als Kind hatte ich alles: Rennrad mit zwölf, Mofa mit 15 und Auto zum 18. Geburtstag. Ruhe, völlig stressfrei, die Alten haben sich nie in meine Sachen eingemischt. Ich hatte immer genug Taschengeld und einmal im Monat habe ich am Wochenende meinen Vater und seine neue Familie besucht. Erst als ich angefangen habe zu studieren, haben wir uns nicht mehr regelmäßig gesehen, irgendwann bin ich dann gar nicht mehr hingefahren.

Die Uni war gut, ich habe Psychologie und Philosophie studiert, eben Fächer, die mich schon immer interessiert haben. Dann ist meine Mutter gestorben, das war nach dem zweiten Semester. Ich musste allein zurechtkommen. Von der Erbschaft meiner Mutter ging das so gut, dass mir keine Schwabinger Kneipe zu teuer war. Ich hatte eine ganze Menge Freunde und war eigentlich ständig unterwegs - eine tolle Zeit. In Christus Alter musste ich schließlich feststellen, dass das Geld nicht ewig reicht. Ich dachte, in New Economy Zeiten finde ich jederzeit eine ordentlich Stelle. Aber alle fragten nach Berufserfahrung und boten mir für den Anfang Praktikanten-Jobs für 500 Mark im Monat. Wie sollte ich davon meine Wohnung zahlen? Zu der Zeit hatte ich noch vier Girokonten und als mir endgültig das Geld ausging, habe ich angefangen, mir einfach selbst Schecks auszuschreiben. Immer, wenn eine Bank endgültig den Hahn zudrehen wollte, kam zufällig ein Scheck von einer anderen Bank eingetrudelt. Außerdem hatte ich noch die Kreditkarten, ich konnte Geld abheben, auf das Konto bar einzahlen und so dem Typen am Schalter meinen guten Willen demonstrieren. Vier Wochen später kam dann die Kreditkartenabrechnung, natürlich bei einer der anderen Banken. Die Typen bei der Bank sind ziemlich leichtgläubig, ich will es mal so sagen, die haben nicht viel auf dem Kasten, das hat Jahre gedauert, bis die dahinter gekommen sind. Ich habe mich weiterhin die meiste Zeit in Kneipen rumgetrieben und bin um die Häuser gezogen. Die Schulden wuchsen immer weiter und irgendwann habe ich einfach die Übersicht verloren, die ganze Chose war mit Arbeit längst nicht mehr in den Griff zu kriegen.

Ich habe mal im Schwimmbad als Kabinenaufsicht gearbeitet, für 14,50 die Stunde - D-Mark! - da kann man nicht ordentlich von Leben, geschweige denn Schulden zurückzahlen. Wegen Verdachts auf Diebstahl haben sie mich gefeuert. Nur, weil sich ein paar Leute beschwert haben, ihnen würde Geld fehlen. Das kann jeder gewesen sein. Beweisen konnten sie mir nichts. Ich hätte jedenfalls immer nur ein paar Scheine rausgenomen, nie alles. Und warum schleppen manche Leute überhaupt so einen Haufen Kohle mit ins Freibad? Unglaublich, die brauchen sich dann auch nicht wundern, dass irgendjemand schwach wird, wenn sie denen die Scheine so unter die Nase halten."