Bronislav "Bronek" Kasprzycki
"Ich bin in Wroclaw geboren. Schon als Kind habe ich gehört, dass das eigentlich Breslau heißt und es war mal deutsch. Und ob es für immer polnisch bleibt, war sehr fraglich, was uns gar nicht gestört hat beim Spielen in den Ruinen. Viele von meinen Kumpels hatten Eltern, die von Ost-Polen ausgewandert sind, so wie ich. Keiner hatte richtige Wurzeln in dieser Stadt. Wenn ich das erste Mal in Deutschland war, waren die Straßen für mich sehr freundlich, wie zu Hause, nur schöner und sauberer. Meine Kindheit war schon okay. Ich hatte keine Geschwister, also war genug Geld da für alles, was im kommunistischen Polen zu kriegen war. Erst später habe ich erfahren, dass für einige mehr zu kriegen war. Nur solche Langweiler wie meine Eltern, haben das nie mitgekriegt. Ganz langweilig war es auch nicht - ein paar Mal im Jahr hat mein Vater gesoffen, und dann aber richtig! Natürlich hat er nie vorgewarnt, und das hat für Alltagsspannung gesorgt, weil mein Vater immer sehr pünktlich war. Also wenn er nicht direkt nach der Arbeit zu Hause war, war schon alles klar.
Tischtennis habe ich gespielt. 1976 war ich Juniorenmeister für Niederschlesien. Ich bin relativ viel gereist. Da habe ich gesehen, dass Konsumleben muss nicht so aussehen wie bei uns. Selbst in der DDR oder in Ungarn war es schon besser. Die Spesen für einen Tag in West-Berlin waren mehr als der Monatslohn von meinem Vater, das hat mir sehr imponiert. Zu beurteilen, wo das Leben besser ist, war für mich also sehr einfach. Solidarnosc. Ja, es war mal so was. Wie die anderen zehn Millionen habe ich mich da auch eingeschrieben. 1982, am 13. Dezember war ich gerade in Bochum, ein Tischtennisturnier, und diese Nacht bin ich bei Beata im Bett gelandet: "Krieg in Polen, Du kannst nicht zurück, Panzer auf den Straßen. Bleib bei mir, ich liebe dich." Die Mannschaft ist ohne mich und ohne Jacek Sikora nach Polen gefahren. Der Verband hat mich für drei Jahre international gesperrt. Beata war lieb, die Tochter Anna auch, nur ich war nicht fähig, genug Geld nach Hause zu schaffen. Wann ich das erste Mal gespürt habe, dass ohne Bier nichts mehr geht, weiß ich nicht genau. 1989 könnte das gewesen sein. Ja, gerade wo Polen wieder frei war, Schluss mit Kommunisten. Im Dezember habe ich Beata das erste Mal geschlagen, im März 1990 habe ich das wiederholt und sie hat ihr Wort gehalten: "Das zweite Mal wird das letzte Mal sein."
In Bayern war es besser mit Jobs. Bis 1996 habe ich ziemlich regelmäßig das Geld für Anna überwiesen. Das ganze Jahr 1997 habe ich keinen Tropfen genommen und dachte, jetzt habe ich alles im Griff. Selbst Jolka, meine damalige Freundin, hat gesagt, zum Sylvester lass uns feiern. Im März habe ich wieder aufgehört, nach der Exmission. Unter Wittelsbacherbrücke ist es schwer ohne Alkohol. Bald wird es Sommer, da genieße ich Freiheit und im Winter mache ich Kur, weil die Anna braucht Geld für Ausbildung. Beata ist schon seit 16 Monaten arbeitslos, und jetzt soll ich besser beitragen, diesmal mache ich alles ordentlich, ab November - bestimmt."